Eröffnungsrede 2015

Eröffnungsrede anlässlich der 4. Verleihung des German-Boogie-Woogie-Awards PINETOP
am 17. Oktober 2015 in Grothenns Gasthaus, Bremen-Arbergen
gehalten von Jo Schumacher

Liebe Freunde des Boogie Woogies,
liebe anwesende Gäste,
wissen Sie eigentlich, was Boogie Woogie heißt?
Wenn man dem Korrekturprogramm meiner PC-Textverarbeitung Glauben schenken will heißt es -- „Böige Woge“, eine Etymologie,
die uns Norddeutschen natürlich besonders gefällt.
Wir können Ihnen versprechen: Sie werden heute Abend noch manche böige Woge auf der Bühne erleben, aber auch die eher stillen Wasser, die sprichwörtlich tief sind und schön, nämlich die Blues. Beides, liegt uns beim PINETOP am Herzen, Blues und Boogie Woogie.
Ja, Sie haben richtig gehört: Boogie Woogie  („W“ ausgesprochen wie in Wiese – und nicht Boogie Woogie wie im amerikanischen Englisch), heißt es richtig laut der neuesten Ausgabe des Duden. Somit gibt für unsere Musik sogar eine eigene, denglische Aussprache. Aber leider fristet der Boogie Woogie weitgehend in Funk und Fernsehen noch immer ein Nischendasein, obwohl es im deutschsprachigen und internationalen Raum eine blühende Landschaft des Boogie Woogies gibt.
Daher möchten wir uns bei Ihnen allen, die Sie eine Karte gekauft haben aus tiefstem Herzen bedanken!
Clarence „Pinetop“ Smith. Zwar hat er den Boogie nicht als einziger erfunden, aber er gab ihm doch mit einem lautmalerischen Wortspiel einen Namen, dadurch, dass er 1928 den Pinetop’s Boogie Woogie auf Schellack einspielte. Nur ein Jahr später verstarb Pinetop mit nur 24 Jahren bei einer Wirtshausschießerei. Zu dessen 10. Todestag nahm Tommy Dorsey eine Big Band Version des Stückes auf, das um die Welt ging und zusammen mit den Boogie Woogies der Pianisten Ammons, Lewis und Johnson die bis heute ungeteilte Begeisterung für den Boogie Woogie entfachte.                   
   
Schließen möchte ich mit einem Gedicht von Jens Gerlach - dem unseres Wissens einzigen Gedicht über Clarence Pinetop Smith. Der 1990 verstorbene Hamburger Jens Gerlach war eine schillernde Figur.     In der Nazizeit wegen Wehrkraftzersetzung inhaftiert und knapp dem Tode entronnen
, 1953 in die DDR übergesiedelt, widmete vielen Jazzgrößen wie Billie Holiday, Charlie Parker, Jimmy Yancey und Chick Webb Gedichte, aber auch eher unbekannteren Musikern wie den Pianisten Joshua Altheimer und Big Maceo Merriweather und eben auch
Clarence „Pinetop“ Smith:

„Wer ist schon auf Herrn Pinetop und seine Meinung scharf?
Kein Mensch ist auf die Reden von Mister Pinetop scharf.
Drum macht er ‘ne Verbeugung, damit er reden darf.
An Toten ist was Gutes, sie halten meist den Mund.
Drum spricht man gut von ihnen und färbt ihr Foto bunt.
Doch dass sie nicht mehr reden, hat einen andern Grund.
Ich wohnte da mit Mädchen, die gingen auf den Strich.
Die warn mal blond, mal dunkel. Sie schikanierten mich.
Die Mädchen ham gewechselt, doch ich blieb immer ich.
Wir haben tags geschlafen und Nacht für Nacht gespielt.
Ich haute in die Tasten. Sie hat nach Moos geschielt.
So ham wir alle beide am Glück vorbeigezielt.

(…)
Ich hockte am Piano bei mancher Schießerei, elf Stunden nichts als Fusel und Boogie-Litanei. Doch ich war auch die zwölfte mit Haut und Haar dabei. Da roch es meistens brenzlig und manchmal war es knapp. Es kam wies kommen musste: Ein Säufer schoss mich ab. Der Säufer kam ins Kittchen, ich kam ins Armengrab.
Nun hat sich mit der Rede Herr Pinetop sehr gequält. Und die Moral der Story, die er Euch hier erzählt: Es war ein Lauseleben, er hat sichs nicht gewählt.“

Soweit Jens Gerlach und nun Jo Schumacher:
Doch wenn ich Euch hier sehe, beim PINETOP hier und jetzt,
dann muss ich konzedieren, ich hab mich da verschätzt.
Vor 87 Jahren hätt ich das nie geahnt, dass sich der Boogie Woogie mal seinen Weg so bahnt.
Es freut sich der Herr Pinetop, der über Euch grad schwebt,
und schaut sehr glücklich runter: denn Boogie Woogie: LEBT! ---

Die Preisverleihung des 4. German Boogie Woogie Awards Pinetop ist eröffnet!