Besondere Verdienste

chicago manne2013x1024Manne Chicago

Seit über 50 Jahren spielt er mit Leidenschaft und Herzblut Blues und Boogie Woogie am Piano und gilt nicht nur in Berlin als Legende.

Alles begann mit dem Film "Swing Serenade", den er Mitte der 50er Jahre in einem Berliner Kino sah - mit Auftritten von Count Basie, Lionel Hampton, Jack Teagarden und vielen anderen mehr, was ihn begeisterte, - doch es gab noch etwas anderes, das ihn wie er sagt geradezu "elektrisierte": und das waren in den Pausen zwischen den gezeigten Big Band-Auftritten  Zeichentrickcartoons, die musikalisch untermalt waren mit den Boogie Woogies von Albert Ammons, Meade Lux Lewis und Pete Johnson, und zwar in einer selbst für heutige Verhältnisse erstaunlich klaren Tonqualität.

Schellack- und Vinyl-Platten in diesem Bereich waren rar, immerhin konnte er Pinetop Smiths Boogie Woogie und eine EP mit den Aufnahmen von Albert Ammons Rhythm Kings erwerben. Über England gelangte er an Platten im frühen Barrelhouse Stil, einer rustikalen Art des Kneipenboogies, die seine Spielweise maßgeblich mitgeprägt hat, was sich vor allem in überfüllten Berliner Kneipen immer wieder als Vorteil erwiesen hat.
Da es weder Klavierlehrer gab, die den Stil beherrschten, noch brauchbare Klavier-Noten, hörte er mit einem alten UHER-Tonband, das er auf halbe Geschwindigkeit stellte, Piano Solos heraus. Eine Technik, die von vielen Pianisten in abgewandelter Form bis heute praktiziert wird.

Unser Preisträger ist der einzige Boogiepianist, der einen der großen Drei, nämlich Pete Johnson noch live erleben durfte, Ende der 50er Jahre im Rahmen der Konzertreihe Norman Granz' Jazz At The Philharmonic im Berliner Sportpalast. In ebendieser Zeit gründete unser Preisträger ein Trio mit Bass- und Schlagzeugbegleitung unter dem Namen "The Boogie Woogie Prayers", ferner spielte er als Mitglied der Formation Hans&Co.

Der Rundfunk entdeckte ihn für die Sendungen SFBeat des Sender Freies Berlin und Club 18 des RIAS Berlin.

Gleich nach der Grenzöffnung unternahm er mit dem Gitarristen Gunther Schulze sowie Schlagzeugbegleitung, ausgedehnte Tourneen in die Neuen Bundesländer.  Dort begrüßten ihn die Konzertbesucher begeistert und sagten: "Endlich erleben wir dich mal live, wir haben dich früher immer im Radio gehört!"

Es wäre müßig aufzuzählen, wo er überall gespielt hat, - in kleinen und großen Kneipen, z.B. 2-3 die Woche über Jahre regelmäßig in der Ostberliner 88-Kneipe,  aber auch in Konzertsälen, auf privaten Feiern, oder zuletzt beim großen Festival der Hamburger Boogie Connection in der Fabrik.

Ich durfte ihn Mitte der 80er Jahre in Berlin kennen- und schätzen lernen, als Musiker und jemanden, der für andere Pianisten eine Anlaufstelle war, jemand, der immer ein freundliches und bestärkendes Wort übrig hatte für die, die sich selbst am Klavier ausprobierten. Und auch heute noch mit 74 Jahren gibt er gerne die Begeisterung für den Boogie in Form von Klavierunterricht weiter.


Mitte der 80er spielte sich die West-Berliner Boogie Szene vorwiegend im Bermuda-Dreieck der Lokale Blues Café, Jazz For Fun und dem Yorkschlösschen ab, wovon heute leider nur noch das Yorkschlösschen übrig geblieben ist. Dafür gibt es heute andere Auftrittsgelegenheiten. Aber gerne erinnere ich mich noch an die Konzerte damals, die nicht vor 22 Uhr anfingen und um 3 Uhr auch noch nicht zu Ende waren, mit unserem Preisträger in vorderster Linie.

Als Haupttonarten des Boogie Woogie gelten C-Dur, F-Dur, G-Dur. Und wie Sie alle wissen, ist der prägnante Grundtonanschlag in der linken Hand ein unverzichtbarer Bestandteil des Boogies. Das tiefe C ist in allen drei Tonarten wichtig. Als Tonika in C-Dur, als Dominante in F-Dur und in G-Dur als Subdominante. Was aber, wenn ausgerechnet dieser Ton kaputt, also klanglos ist, weil ein Betrunkener Bier ins Piano geschüttet hat? Ein Fiasko für viele, aber kein Problem für unseren Preisträger, der auch in den abwegigsten Tonarten wie H-Dur, E-Dur und A-Dur heimisch ist.

Einmal, so schildert er, schaute ihm ein anderer Pianist auf die Tasten und sagte empört: "H-Dur? In der Tonart spielt man nicht!" - worauf unser Preisträger entgegnete: "Was heißt hier, in der Tonart spielt MAN nicht. DU kannst das nicht spielen, MAN kann das schon, wie Du siehst." Ja, man kann und das heißt genauer gesagt: MANNE kann! Wir würdigen ihn heute in der Kategorie Besondere Verdienste um den Boogie Woogie, aus der Bundeshauptstadt Berlin:

MANNE CHICAGO!

Laudatio gehalten von Jo Schumacher